Menschen mit der Fähigkeit „Vielseitigkeit“ besitzen eine hohe Flexibilität im Denken und ermutigen Teammitglieder, kreative Ideen und alternative Lösungsvorschläge zu entwickeln und zu kommunizieren. Sie können effektiv auf neue, unerwartete oder stressige Situationen reagieren, ohne das Projektziel aus den Augen zu verlieren. Vielseitige Führungskräfte lassen sich von Rückschlägen nicht entmutigen sondern lernen aus Fehlern. Stetig versuchen sie vorhandene Ressourcen besser zu nutzen und Prozesse zu optimieren. Vielseitigkeit ist daher unerlässlich, um Projekte erfolgreich abzuschliessen.
Im IPMA Level D Kurs sowie IPMA Level C Kurs lernen Sie im Modul Vielseitigkeit all die hier beschriebenen Themen noch detailierter.
Hierzu schaffen Projektmanager eine offene Atmosphäre, die Raum für Kreativität und alternative Denkweisen zulässt. Unter Rückgriff auf konzeptionelle und analytische Techniken ordnen, organisieren und präsentieren Sie wichtige Informationen und halten den Fokus auf dem Wesentlichen. Kreativ-Methoden sowie eine ganzheitliche Sichtweise helfen ihnen, Schwierigkeiten zu überwinden und die bestmögliche Lösung zu verwirklichen.
Was Sie hier lernen:
Offenheit und Kreativität
Jedes Projekt ist einzigartig und verlangt nach einer ebensolchen Lösung. Diese zu entwickeln bedarf es neben Fachwissen Interdisziplinarität und Kreativität. Letztere erfordert es, eingetreten Denkpfade zu verlassen und neue Wege einzuschlagen. Innerhalb eines Teams gelingt dies durch vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine Raumgestaltung, welche die Fantasie anregt. Führungskräfte ermutigen ihr Team, indem sie mit gutem Beispiel voranschreiten und offen auf Anregungen reagieren.
Zu Beginn des Projekts kann zudem eine Charta der Zusammenarbeit erstellt werden. Hierin werden alle Teamregeln, die während des Projekts gelten sollen, festgehalten und per Unterschrift von allen Teammitgliedern anerkannt. Hierzu zählen beispielsweise eine offene Kommunikations- und Feedbackkultur, gegenseitiger Respekt, das Zulassen von Fehlern oder die Förderung von alternativen Denkansätzen und kreativen Methoden.
Das bewusste gedankliche ausser Acht lassen von bestehenden Grenzen und Vorgaben zu Beginn eines Projekts oder zur Überwindung auftretender Probleme wird auch „Greenfield Approach“ genannt. Anders ausgedrückt, lässt man hierbei zunächst jeden Lösungsvorschlag zu, als befände man sich auf einer grünen, grenzenlosen Wiese. Bei der Projektumsetzung werden die so gesammelten Ideen und Ansätze dann gegen die Vorgaben und Regeln geprüft. Hierbei nutzt man Sätze wie „Ist nicht umsetzbar, weil…“ oder „Wäre machbar, wenn…“. Im besten Fall erhält man am Ende einen oder mehrere Ansätze, auf die man aufbauen kann.
Am Ende des Projekts bietet sich schliesslich ein Lessons-Learned-Meeting an, bei dem von allen Mitgliedern die positiven wie negativen Aspekte hinsichtlich Zusammenarbeit, Ergebnis, Qualität, Lösungsfindung usw. benannt und visualisiert werden. So können insbesondere Stolpersteine beim nächsten Projekt vermieden und Abläufe verbessert werden.
Konzeptionelles Denken
In jedem Projekt tauchen neue Probleme auf, die analysiert werden müssen und spezifische Lösungen erfordern. Das Systems Engineering (SE) stellt einen bewährten Ansatz zur Analyse und Gestaltung komplexer Systeme / Projekte dar. Seine Grundprinzipien sind:
– Modellierung der Situation: Man verschafft sich ein überblickshaftes Bild des Systems, der Situation bzw. des Problems, das alle wichtigen Aspekte beinhaltet.
– Systemabgrenzung: Das System wird von seiner Umwelt abgegrenzt und wechselseitige Einflüsse werden erfasst.
– Aufbrechen in Subsysteme: Das System wird in Subsysteme untergliedert. Die Abhängigkeiten zwischen den Subsystemen werden herausgearbeitet.
– Von Grob zu Fein: Grundsätzlich mit einem groben Überblick bzw. allgemeinen Lösungen beginnen und diese nach und nach detaillierter ausarbeiten.
– Intersubjektivität: Unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven einbeziehen oder einnehmen, offen für alternative Lösungen und Hilfsmittel sein.
– Planung: Das Projekt in exakt definierte Phasen einteilen.
Analytische Techniken
Die Situationsanalyse dient der Erfassung der aktuellen Ist-Situation sowie vorherrschender Trends und weiterführender Informationen. Sie bildet den Ausgangspunkt für die Lösungsfindung und wird mehrschrittig durchgeführt.
1. Durch Interviews und Beobachtungen wird die aktuelle Situation ganzheitlich erfasst.
2. Mittels SWOT-Analyse (Kap. 12) und Prozessbeschreibungen werden Chancen und Risiken herausgearbeitet.
3. PESTLE-Analyse und Interviews liefern einen Überblick über das Gesamtsystem inklusive seines Umfeldes.
4. Durch Ursache-Wirkungs-Analysen bestehender Probleme werden eine ganzheitliche Sicht erarbeitet und Hintergrundinformationen erhoben.
Dies geschieht etwa mittels vorstrukturiertem Fischgräten- oder Ishikawa-Diagramm. Das Ziel oder Problem wird an die Spitze eines horizontalen, nach rechts zeigenden Pfeils geschrieben. Ober- und unterhalb dieses Pfeils werden die Haupteinflussgrössen (z. B. Mensch, Technik, Methode, Umfeld) erfasst und durch mit ihnen in Zusammenhang stehende, mögliche Problemursachen ergänzt.
5. Eine strukturierte Dokumentation der Ergebnisse bildet die Grundlage der Lösungsfindung.
Kreative Techniken
Auf Basis der Situationsanalyse werden mittels Kreativtechniken Lösungsalternativen entwickelt und beschrieben. Folgendes Vorgehen hat sich bewährt:
1. Ideen mittels Brainstorming und/oder Brainwriting sammeln.
1.1. Brainstorming: Ein Moderator notiert kommentarlos innerhalb eines definierten Zeitraums sämtliche von den Teilnehmenden geäusserte Vorschläge.
1.2 Brainwriting mittels 635-Methode: Man benötigt ein Papier mit drei Spalten und sechs Zeilen sowie sechs Teilnehmer. Der erste notiert drei Ideen auf dem Blatt und reicht es an den nächsten, der diese ergänzt und es wiederum weiterreicht bis es wieder am Ausgangspunkt ankommt.
2. Ideen gemeinsam besprechen und zum Beispiel in einer Mindmap sortieren. Das Problem wird hierzu ins Zentrum eines Blattes geschrieben und eingekreist. Von diesem Kreis aus werden Linien gezogen, an deren Ende die Hauptideen notiert werden. An diese wiederum werden alle mit ihnen verbundenen Aspekte gehängt.
Der so entstandene visuelle Überblick möglicher Lösungsalternativen dient als Grundlage für die Bewertung und Beschränkung auf realisierbare Ansätze.
3. Gangbare Lösungen durch das ganze Team entsprechend der fachlichen Expertise ausarbeiten, beschreiben sowie dokumentieren und zuletzt dem Entscheidungsträger vorstellen.
Ganzheitliche Sicht
Bei der ganzheitlichen Sicht wird die Auswirkung möglicher Lösungen auf andere Projekte und vice versa betrachtet, um die beste bzw. ausgewogenste Lösung zu erhalten. Hierzu kann die Sechs-Hüte- oder Walt-Disney-Methode genutzt werden, die sich besonders für Teams eignet. Jedem Hut ist eine Farbe und eine Perspektive zugeordnet:
– Objektivität (weiss): Ausschliesslich Fakten werden geäussert.
– Subjektivität (rot): Gefühle und Ansichten werden kommuniziert.
– Pessimismus (schwarz): Mögliche Probleme und Risiken werden erörtert.
– Optimismus (gelb): Mögliche positive Folgen und Chancen werden aufgezeigt.
– Kreativität (grün): Alternative Ansichten und Assoziationen stehen im Zentrum.
– Metaperspektive (blau): Das Problem wie seine potentiellen Lösungen werden aus der Vogelperspektive betrachtet.
Die Kompetenz Vielseitigkeit sowie verschiedenste Kreativ-Methoden sorgen letztlich für eine ganzheitliche Sicht auf das Projekt und führen zu einer insgesamt ausgewogenen Problemlösung.